Die Megastrategie des lebenslangen Lernens oder was hab ich damit zu tun?

Meyers Lexikon definiert Lernen als „durch Erfahrung entstandene Verhaltensänderungen und -möglichkeiten, die Organismen befähigen, aufgrund früherer und weiterer Erfahrungen situationsangemessen zu reagieren.“
Das lebenslange Lernen beschreiben Sebe-Opfermann und Gessler als eine „grundlegende Fähigkeit, sich bis zu seinem Lebensende Neues aneignen zu können“ (Sebe-Opfermann & Gessler: 92).

Somit bedeutet lebenslanges Lernen zunächst einmal für mich – vereinfacht gesagt – im Leben Erfahrungen zu sammeln und ob diese nun „bedeutungsvoll, einzigartig oder trivial“ (ebd.: 115) sind, ist irrelevant, denn „wir sind lebenslang Lernende.“ (ebd.)

Dennoch lassen sich Lernformen in formale, non-formale und informelle Lernformen unterscheiden. Ich lerne zunächst im nebenberuflichen Studium und innerhalb von Trainings im beruflichen Umfeld formal.
Darüber hinaus engagiere ich mich mal mehr mal weniger in non-formalen Lerninstitutionen, wie zum Beispiel einem e-Learning-Stammtisch oder lockeren Treffen zu Themen rund um Organisationsentwicklung.
Die informellen Lernformen sind tagtäglich an jedem Ort und in jeder Situation für mich präsent, die nicht auf reinen Routineaufgaben (wie Zähneputzen, Kaffee kochen, zur Arbeit fahren) fußt.
Hierzu zähle ich beispielweise das Lernen neuer Routen, Techniken und Bewegungsabläufen beim Klettern, das Lernen neuer Kochrezepte und jeden Tag im (noch) neuen Job.

All diese Erfahrungen haben Auswirkungen auf alle Lebensbereiche – egal ob beruflicher oder privater Natur.

Mir persönlich mangelt es nicht an Motivation, Neues zu erlernen. Im Gegenteil: gerne würde ich einen Segelschein machen, mein Französisch aufbessern, ein Regal bauen können und Grundlagen der Osteopathie lernen. Hinderlich ist eher mangelnde Zeit und das notwendige Setzen von Prioritäten im beruflichen und privaten Alltag – es lässt sich einfach nicht alles können, alles machen und jeden treffen. Somit hat das lebenslange Lernen von Außen gesteckte Grenzen, die zumindest dazu zwingen, innerhalb von allen drei Lernformen (bewusste) Lernziele nacheinander anzugehen und auf die Lebenszeit zu verteilen.

Dieses Managen von Komplexität liest sich dann interessant, wenn man das Konstrukt des lebenslangen Lernens als bildungspolitische Megastrategie versteht, um gesellschaftlichen Herausforderungen entgegenzutreten. Damit tritt eine Notwendigkeit der Steuerung und Kanalisierung der Lerngegenstände auf den Plan eines jeden Einzelnen.

Das lebenslange Lernen ist hierbei eng verknüpft mit Becks Individualisierung der Lebenswelten und bedeutet neben neuen Freiheiten und Flexibilitäten auch wachsende Komplexität, Herausforderung, Entscheidungszwang und Verantwortung, die individuelle Strategien (ebd.: 117) notwendig machen.

Situationen werden immer komplexer und immer schnelllebiger, somit sind immer mehr und neue Erfahrungen, also lebenslanges Lernen wichtig für eine „situationsangemessene“ Reaktion gemäß Meyers Lexikon.

Die Qual der 1000 Möglichkeiten muss gemildert werden – hier sehe ich große Chancen für Bildungsexperten, die als Berater fungieren und ihren Klienten beim Filtern der Lernangebote und Priorisieren in allen Lernformen unterstützen und somit motivieren.

Es geht auch darum, durch das Teilen von Wissen, dem Nutzen von Gruppendynamiken und dem Wecken bzw. Zulassen von Neugier Motivation zu wecken.
Die herausfordernde Aufgabe sehe ich für Berater und für jeden einzelnen Lerner allerdings darin, Transparenz über Bildungsangebote und auch eigene Lernziele herzustellen und Komplexität zu reduzieren – und somit eine Lernstrategie im megakomplexen Leben zu entwickeln.

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